HUMANPHARMATIERGESUNDHEIT

Die Vorteile einer gemeinsamen
Gesundheitsforschung für Mensch und Tier

Es gibt eine enge Verbindung zwischen Menschen und Tieren, wenn es um ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden geht. Diese Verbindung ist der Kern des Ansatzes „One Health“ von Boehringer Ingelheim.

Wir haben mit Dr. Clive Wood aus dem Bereich Human Pharma und Dr. Eric Haaksma aus dem Bereich Animal Health über die Vorteile ihrer Zusammenarbeit gesprochen – und darüber, warum sich Krankheitsbilder bei Mensch und Tier zunehmend ähneln.

Was steckt hinter dem Konzept „One Health“?

Clive Wood: Die Gesundheit unserer globalen Gesellschaft ist ein komplexes System mit vielen gegenseitigen Abhängigkeiten. So sind zum Beispiel sichere Zugänge zu Trinkwasser oder Lebensmitteln von großer Bedeutung für die Menschen. Die Basis dafür wird in der Agrarwirtschaft gelegt. Nutzen wir dort in der Viehzucht bestimmte Medikamente, um die Herden gesund zu halten, beeinflussen diese auch die menschliche Zivilisation. Zum Beispiel, indem sich durch die Gabe von zu viel Antibiotika in der Tierhaltung das Risiko resistenter Bakterien erhöht.

Eric Haaksma: Wenn wir über dieses komplexe System reden, spielen auch Haustiere eine große Rolle. Hier hat sich die Beziehung zwischen Menschen und Tieren gewandelt. Ein Hund zum Beispiel war früher ein Tier, das draußen war und bellte. Heute ist er ein festes Familienmitglied, das zusammen mit den Menschen in einem Bett schläft und mit in den Urlaub fährt. Da Glück und Gesundheit miteinander in Verbindung stehen, ergibt sich ein weiterer Aspekt des Konzepts One Health. Es gibt viele Erkenntnisse dazu, wie gut uns Menschen der Umgang mit Tieren tut.

Als eines von nur sehr wenigen Unternehmen bringt Boehringer Ingelheim die Bereiche Human Pharma und Tiergesundheit partnerschaftlich zusammen. Welche Synergien ergeben sich dadurch?

Clive Wood: Ziel unserer Forschung und Entwicklung ist es jeweils, Neues zu Entdecken. Das gelingt besser, wenn man sich gegenseitig hilft. Wir bei Human Pharma sind begeistert von der Idee, unser Wissen und unsere Erkenntnisse zur Verfügung zu stellen, zum Wohle von Menschen, Tieren und nicht zuletzt dem Unternehmen. Mittlerweile denke ich: Wenn wir diese Synergien ignorieren, würden wir eine enorme Chance verpassen, Innovationen voranzutreiben.

Welche strukturellen Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit diese Synergien entstehen?

Eric Haaksma: Es ist wichtig, dass die Tiergesundheit im Unternehmen eine gewisse Größe besitzt. Noch vor einigen Jahren waren wir ein kleiner Bereich, der sich auf bestimmte Themen wie Impfungen von Schweinen fokussierte. Die Zusammenarbeit mit Human Pharma lief damals so, dass jemand aus diesem Bereich mit einer Entdeckung zu uns kam und fragte: Könnte das auch für euch interessant sein? Im Jahr 2016 hat Boehringer Ingelheim dann den französischen Veterinärmedizin-Spezialisten Merial übernommen. Der Bereich Tiergesundheit im Unternehmen ist dadurch enorm gewachsen. Daraus ergibt sich eine neue Verantwortung und Ambition. Wir stellen uns heute der Aufgabe, durch unsere Arbeit nach Lösungen zu suchen, um eine Vielzahl an Krankheiten bei Haus- und Nutztieren zu bekämpfen. Bei dieser Suche sind wir im Unternehmen nicht allein, wir wissen auf jeder Stufe die Kollegen aus dem Bereich Human Pharma an unserer Seite.

Dr. Eric Haaksma (links) und Dr. Clive Wood sind davon überzeugt, dass die Gesundheit von Mensch, Tier und unserem Planeten eng verknüpft ist und dass gesunde Tiere zu gesunden Menschen führen.

Welche konkreten Überlappungen ergeben sich bei Ihrer Arbeit?

Clive Wood: Ein bedeutsames Thema ist die Krebsforschung. Ein Tumor im Körper eines Hundes wächst aufgrund ähnlicher genetischer Veränderungen, wie es bei Menschen der Fall ist. Entwickeln wir also als Human Pharma mit unserer Expertise im Bereich der Onkologie neue Therapien im Kampf gegen den Krebs, dann helfen wir damit auch Hunden.

Eric Haaksma: Es ist für unseren Bereich der Tiergesundheit fantastisch, Zugriff auf das Wissen aus der chemischen und molekularen Forschung im Unternehmen zu haben. Wobei wir mittlerweile eine Größe erreicht haben, um auch selbst etwas beizutragen. Viele Immunkrankheiten von Menschen und Tieren unterliegen den gleichen Mechanismen. Die Krankheit selbst mag anders auftreten, aber die Gründe für ihr Entstehen sind ähnlich, sodass wir neu entdeckte Stoffe oder Moleküle im Kampf gegen diese Immundefekte austauschen können. Ein weiteres interessantes Gebiet sind Angst- und Stresszustände: Menschen und Tiere leiden gleichermaßen darunter, auch hier ergeben sich durch Wissenstransfer interessante Möglichkeiten.

Sie sprachen bereits von den komplexen Zusammenhängen zwischen Human Pharma und Tiergesundheit. Wie gelingt es Ihnen, im Geflecht der Möglichkeiten systematisch an Innovationen zu arbeiten?

Eric Haaksma: Unsere Forschung- und Entwicklungsabteilungen haben zusammen mit Mitarbeitern aus dem Marketing eine „Disease Map“ entwickelt, die uns eine Vorstellung davon gibt welche Krankheiten und Therapien in den kommenden zehn bis fünfzehn Jahren von Bedeutung sein werden. Dieser Ansatz entspricht der Kultur von Boehringer Ingelheim, sich als Familienunternehmen auf langfristige Ziele zu fokussieren.

Nehmen wir das Beispiel Antibiotika in der Tierzucht: Vor zehn Jahren wurde der Einsatz dieser Medikamente noch akzeptiert. Heute wird er sehr kritisch betrachtet, und wir können davon ausgehen, dass es in zehn Jahren keine Akzeptanz mehr dafür geben wird. Dadurch ändert sich der Markt, und unsere Aufgabe ist es, Lösungen zu finden, um das Vieh auch ohne den Einsatz von Antibiotika gesund zu halten.

Auch mit Blick auf Haustiere sind bestimmte Entwicklungen absehbar: Immer mehr Katzen leben nur noch in der Wohnung, Hunde bewegen sich weniger als früher. Gleichzeitig ändern sich Menge sowie Zusammensetzung des Futters und verbessern sich die Medikamente, sodass die Tiere länger leben.

Bereiche mit großen Überschneidungen von Human Pharma und Animal Health

Krebsforschung

Ähnliche genetische Veränderungen wirken sich auf Menschen und Hunde aus. Neue Behandlungsmethoden, die von der Human Pharma entwickelt werden, könnten auch Hunden zugutekommen.

Immunkrankheiten

Menschen und Tieren unterliegen hier oft den gleichen Mechanismen. Auch wenn die Erkrankungen unterschiedlich auftreten, entstehen sie aus ähnlichen Gründen.

Unruhe und Stress

Menschen und Tiere sind gleichermaßen davon betroffen und erleben körperliche Auswirkungen. Durch den Wissenstransfer kann Boehringer Ingelheim interessante Perspektiven für diesen Bereich entwickeln.

Weniger Bewegung, höhere Lebenserwartung: Das kennt man auch von den Menschen…

Eric Haaksma: … ganz genau! Ich komme ursprünglich aus dem Bereich Human Pharma, und die Parallelen sind ganz offensichtlich: Immer mehr Katzen und Hunde leiden an Übergewicht, Krankheiten wie Diabetes treten vermehrt auf, und wenn Haustiere ein höheres Alter erreichen, steigt die Gefahr von Krebsdiagnosen.

Gibt es Synergien, die in Zukunft noch mehr genutzt werden können?

Clive Wood: Während wir beim Austausch im Bereich Forschung und Entwicklung bereits recht weit sind, wird es für die Zukunft interessant sein, deutlich intensiver als bislang die Wirksamkeit bestimmter Therapien bei Menschen und Tieren zu evaluieren. Wenn wir bei klinischen Studien systematisch vorgehen, ergeben sich fantastische Möglichkeiten, zum Beispiel, indem wir den Einsatz bestimmter onkologischer Therapien vorab bei Hunden testen.

Eric Haaksma: Das ist eine klassische Win-Win-Situation: Der Bereich Human Pharma profitiert von den Daten über die Wirksamkeit bestimmter Therapieansätzen bei Hunden, und den Haustieren wird geholfen, weil sie deutlich früher Zugang zu innovativen Therapien erhalten.

Könnten die Synergien so weit gehen, dass Human Pharma und Tiergesundheit zu einer Organisation zusammenwachsen?

Eric Haaksma: Wir haben mit diesem Gedanken herumgesponnen, aber gemerkt, dass die Unterscheidungen wichtig bleiben. Synergien zu maximieren und dabei den Bedürfnissen von menschlichen Patienten auf der einen sowie Tieren, Landwirten und Haustierbesitzern auf der anderen Seite gerecht zu werden – darauf kommt es an.

Clive Wood: Und in gewisser Hinsicht sind wir ja schon als eins zusammengewachsen – nämlich als Innovationstreiber für Boehringer Ingelheim.

Dr. Eric Haaksma

Dr. Eric Haaksma studierte u. a. Chemie in Amsterdam und kam 1991 zu Boehringer Ingelheim, wo er zunächst ein Labor leitete und ab 1997 in verschiedenen Führungspositionen in der Forschung und Entwicklung für Human Pharma tätig war. Im Januar 2019 wechselte er in den Unternehmensbereich Tiergesundheit, dort ist er als Senior Vice President & Global Head of Global Innovation (Research and Development) verantwortlich für neue Lösungen und Innovationen im Bereich Animal Health.

Dr. Clive Wood

Dr. Clive Wood ist promovierter Biochemiker und studierte am Imperial College London. Seit den 80er-Jahren arbeitet er in der Forschung und Entwicklung von Pharma-Unternehmen, sein Schwerpunkt ist die Forschung nach Antikörper-Therapien bei Entzündungen oder Krebserkrankungen. Zu Boehringer Ingelheim kam er 2014. Als Senior Vice President & Global Head of Discovery Research verantwortet er heute die Entdeckung neuer Wirkstoffe im Bereich Human Pharma.