DIGITALISIERUNG

Schlaganfall­versorgung:
Die Lücke in
China schließen

In China erleiden jedes Jahr 3,5 Millionen Menschen einen Schlaganfall diese Zahl soll laut Schätzungen bis 2030 auf 5 Millionen steigen. Das chinesische Gesundheitssystem ist kaum in der Lage, den Bedarf der Betroffenen nach dringend benötigter Rehabilitation zu decken. Ein digitales Angebot könnte helfen, die Versorgungslücke zu schließen.

Sprachstörungen, Lähmungen und Sehstörungen: Das sind einige Symptome für einen Schlaganfall, der weltweit zu den häufigsten Ursachen für körperliche Behinderungen gehört. Damit sich Patienten möglichst schnell und erfolgreich von den Folgen eines Schlaganfalls erholen können, ist neben einer schnellen Erstversorgung eine rasche und konsequente Rehabilitation entscheidend.

Im Verglich zu anderen großen Nationen herrscht in China ein auffälliger Mangel an Rehabilitationsmöglichkeiten, zudem fehlen gut ausgebildete Spezialisten. Nur 11,5 Prozent der Patienten erhalten in den ersten Wochen nach einem Schlaganfall geeignete Nachsorgemaßnahmen, 42 Prozent durchlaufen überhaupt keine Rehabilitation. Im Vergleich dazu beginnen in Deutschland 85 Prozent der Schlaganfallpatienten sofort mit der Rehabilitation.

Um die Schlaganfallnachsorge auch für Patienten in China zum Standard zu machen und Fachkräfte zu qualifizieren, hat Boehringer Ingelheim 2018 gemeinsam mit dem Shanghai International Medical Center (SIMC) in Shanghai ein Rehabilitationszentrum gegründet. Ein weiteres entsteht gerade in Chengdu.

Eine KI-Lösung für zuhause

„Bei der Schlaganfallnachsorge klafft in China eine gewaltige Lücke zwischen den Bedürfnissen der Patienten und dem, was Gesundheitsdienstleister anbieten können“, sagt Yi Yang, Medizintechniker und Softwareingenieur bei Boehringer Ingelheim. „Wir brauchten eine innovative digitale Lösung, mit der die Patienten Rehabilitationsangebote und Unterstützung online erhalten können.“

Yi Yang ist Product Owner für Consanas Cloud, eine App für die digitale Rehabilitation nach Schlaganfällen. „Mit der App werden Rehamaßnahmen zuhause verfügbar.“

Consanas Cloud eignet sich für Menschen, die einen leichten bis mittelschweren Schlaganfall erlitten haben. Mit der App können sie Rehabilitationsmaßnahmen in den Bereichen Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und kognitive Therapie zuhause durchführen.

Auch die menschliche Interaktion spielt bei dem digitalen Angebot eine wichtige Rolle. Ein Arzt bewertet den Zustand des Patienten aus der Ferne via App und Smartphone-Kamera und wird dabei von künstlicher Intelligenz (KI) unterstützt. „Die App erkennt Gelenkpositionen oder erfasst gezielt die Hände“, erklärt Eddie Cai. Er arbeitet als Solution Lead und betreut die Markteinführung der App.

Den Algorithmus für die KI hat Boehringer Ingelheim zusammen mit der DAMO Academy entwickelt, dem Innovationslabor der Alibaba Group, deren Cloud Services die App auch nutzt.

Maßgeschneiderte Behandlung

Nach der ersten Begutachtung erstellt der Arzt mithilfe der App einen Therapieplan mit geeigneten Übungen. Dabei können die Patienten zwischen verschiedenen Paketen wählen, je nachdem, ob sie während ihrer Rehabilitation nur ein oder mehrere persönliche Gespräche in Anspruch nehmen möchten.

KI unterstützt die Patienten auch bei den Übungen: Der Algorithmus, der die Position der Gelenke erkennt, kontrolliert auch die vorgegebenen Bewegungen während der Physiotherapie. „Die App zählt die Wiederholungen mit, überprüft, ob die Bewegungen korrekt ausgeführt werden, korrigiert diese falls notwendig und motiviert die Patienten“, erklärt Cai.

Consanas Cloud startete im Dezember 2022 zunächst mit den Funktionen für Physiotherapie; digitale Rehabilitation für Sprache und kognitive Therapie folgen im Laufe des Jahres 2023. Bei dem neuen digitalen Therapieangebot hat Boehringer Ingelheim viele Aspekte auf sehr innovative Weise bearbeitet. So entstand das erste funktionsübergreifend entwickelte Produkt in China unter Beteiligung der Sparte Health Care Solutions von Human Pharma und BI X, dem digitalen Innovationslabor von Boehringer Ingelheim.

Auch bei der Vermarktung von Consanas Cloud geht Boehringer Ingelheim ganz neue Wege. „Wir bauen hier ein komplett neues Vertriebs- und Marketingteam auf, das sich ganz auf digitale Lösungen konzentriert“, sagt Dr. Johannes Floeckner, Leiter von BI X in Shanghai. „Es ist das erste Mal, dass Boehringer Ingelheim eine Business Unit eigens dafür gründet, um den Patienten eine digitale Lösung zu bieten.“

Fakten über Schlaganfall

12 mio.

Jedes Jahr erleiden weltweit mehr als 12 Millionen Menschen einen Schlaganfall.

Obwohl in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte bei der Behandlung erzielt wurden, sind Schlaganfälle noch immer eine der häufigsten Ursachen für körperliche Behinderungen sowie geistige und seelische Beeinträchtigungen.

Ein Schlaganfall entsteht durch eine durchblutungsbedingte Störung des Gehirns. Sowohl die Sterblichkeit als auch die Wahrscheinlichkeit, nach einem Schlaganfall eine bleibende Behinderung zurückzubehalten, hängt von der Art des Schlaganfalls ab.

Arten von Schlaganfall

Ischämischer Schlaganfall

In über 80 Prozent der Fälle kommt es zu einem sogenannten ischämischen Schlaganfall, einem Hirninfarkt — dem Absterben von Hirngewebe —aufgrund einer Mangeldurchblutung. Dafür gibt es drei Arten von Auslösern: arteriosklerotische Veränderungen der großen Arterien, die Blut zum Gehirn transportieren, Veränderungen kleiner und kleinster Blutgefäße im Gehirn selbst oder Thromben (Blutgerinnsel), die mit dem Blut in Hirngefäße gelangen und zu Verstopfungen führen.

Hämorrhagischer Schlaganfall

In den übrigen Fällen kommt es zu Blutungen im Gehirn, dann sprechen Fachleute von einem hämorrhagischen Schlaganfall. Dabei tritt Blut aus einem geplatzten Gefäß aus. Die Einblutung kann intrazerebral — direkt ins Gehirn — erfolgen oder subarachnoidal, nahe am Gehirn zwischen den Hirnhäuten.

Symptome erkennen

Der FAST-Test

Mit dem sogenannten FAST-Test lässt sich ein Verdacht auf einen Schlaganfall schnell und einfach überprüfen.

Face

Kann die Person lächeln? Wenn ein Mundwinkel dabei herabhängt, deutet das auf eine Halbseitenlähmung hin.

Arms

Kann die Person die Arme strecken und die Hände dabei nach oben drehen? Eine Person mit einer Lähmung kann das nicht.

Speech

Kann die Person einen einfachen Satz nachsprechen? Wenn die Stimme verwaschen oder lallend klingt, liegt vermutlich eine Sprachstörung vor.

Time

Ein Schlaganfall ist immer ein Notfall: Je schneller er behandelt wird, umso besser sind die Chancen auf Heilung.

Bereits beim kleinsten Verdacht auf einen Schlaganfall sollte man sofort einen Rettungswagen rufen.

Stroke Care