Künstliche Intelligenz im Dienst der Menschen

Boehringer Ingelheim setzt KI in seiner gesamten Wertschöpfungskette ein, angefangen von der frühen Forschung über die Entwicklung und Produktion bis hin zum Produktvertrieb. Die Ziele sind dabei unterschiedlich und hängen von der jeweiligen Anwendung ab: bessere, schneller verfügbare oder sicherere Medikamente für Patientinnen und Patienten. Mehr dazu im Chat unten.

Zum Interview

Sie

Warum ist KI aktuell in aller Munde?

KI
KI gibt es schon seit vielen Jahren. Sie ist in zahlreichen Branchen­anwendungen, aber auch im täglichen Leben zu finden. ChatGPT und weitere ähnliche Anwendungen haben KI und insbesondere die generative KI im Jahr 2022 für die Allgemeinheit zugänglicher gemacht. Die Technologie rückte in das Rampenlicht der Medien und wurde zu einem Objekt, das Staunen und Befürchtungen auslöste. Gleichzeitig wurde sie aber auch zu einem Investitionsziel. Bislang wurde sie von Internetnutzern in erster Linie dazu genutzt, um mit Hilfe von KI Inhalte wie Texte oder Bilder zu generieren.
Sie

Werden die geschäft­lichen Anwen­dungs­mög­lich­keiten von KI möglicher­weise nur hoch­ge­spielt?

KI
Die geschäftlichen Anwendungsmöglichkeiten von KI werden keineswegs hochgespielt. Zugegebenermaßen setzt derzeit nur eine relativ kleine Anzahl von Unternehmen im Geschäftsalltag auf KI. Es ist also nicht verwunderlich, dass einige Beobachter behaupten, die Bedeutung von KI werde stark übertrieben. Doch der Einfluss von KI ist in immer mehr Unternehmen spürbar. Bei Boehringer Ingelheim spielt generative KI bereits seit Jahren eine immer größere Rolle und wird von vielen Mitarbeitenden zur Beschleunigung ihrer Forschung genutzt.
Sie

Auf welche Weise integriert Boehringer KI in seine Geschäftsaktivitäten?

KI
Boehringer Ingelheim setzt KI in seiner gesamten Wertschöpfungskette ein, von der frühen Forschung über die Entwicklung und Produktion bis hin zum Produktvertrieb. So nutzt die Vertriebs- und Marketingabteilung des Unternehmens KI beispielsweise dazu, um ihre Reichweite für medizinische Fachkräfte zu optimieren, die ein Interesse daran haben könnten, mehr über bestimmte Präparate zu erfahren. Andere Beispiele für die Anwendung von KI sind Lösungen, die die Effizienz der Produktionslinien verbessern, um für regulatorische Anforderungen gerüstet zu sein und innovative Lösungen bereitstellen zu können. Erst kürzlich hat das Unternehmen generative KI eingeführt, um damit seine unternehmenseigene Plattform iQNow zu betreiben, die Forschenden bei Boehringer dabei helfen soll, umfassende Sammlungen von Forschungsberichten zu durchforsten. In den neun Monaten seit seiner Einführung Anfang 2023 hat das Unternehmen iQNow mit den interaktiven Eigenschaften großer Sprachmodelle (Large Language Models) kombiniert. Die Verbesserung hat die Zahl der Einzelnutzerinnen und -nutzer im Unternehmen von 1.000 auf 25.000 schnellen lassen.
Sie

Wie ist Boehringer zum Vorreiter bei der Anwendung generativer KI geworden?

KI
Boehringer Ingelheim hat seine Hausaufgaben gemacht und war somit gut vorbereitet. Als vor einigen Jahren mehrere Abteilungen im Unternehmen berichteten, sie würden von Informationen überschwemmt, suchte man bei Boehringer Ingelheim nach einer Lösung, um den Zugang zu verstreuten Dokumenten und multiplen Datenbanken, die nach unterschiedlichen Standards erstellt waren, zu verbessern. Die zu erwartenden Fortschritte der KI sah das Unternehmen als gangbaren Weg. iQNow war darauf ausgerichtet, bestimmte Informationen mithilfe eines ausgefeilten Algorithmus aufzufinden, und wurde schließlich mit KI-gestützten Large Language Models verknüpft.
Sie

Ist es riskant, proprietäre Daten mit KI-Anwendungen in der Cloud zu verbinden?

KI
Für eine vollständige Sicherung der proprietären Daten wurde iQNow an Microsofts Azure OpenAI Service angeschlossen, um diese komplementären Technologien sicher miteinander zu verknüpfen. Öffentliche und private Datenquellen bleiben vollständig voneinander getrennt.
Sie

Wie verändert iQNow die Forschung bei Boehringer?

KI
Die Forschenden bei Boehringer Ingelheim durchforsten mithilfe von iQNow rund 700 Millionen Dokumenten-Datenbanken, um Fachleute für bestimmte Forschungsgebiete schnell ausfindig machen zu können. Sie stellen iQNow Fragen – ganz so, als wäre es eine Kollegin, die neben einem sitzt und eine zuverlässige Antwort geben kann. Indem es der Logik menschlicher Gespräche folgt, hilft es ihnen, jede wissenschaftliche Fragestellung aufzuschlüsseln. Die Forschenden können mit ihren Fragen so immer tiefer vordringen oder unterstützende Dokumente anfordern, wenn sie mehr Informationen benötigen sollten.
Sie

Hat generative KI einen messbaren Beitrag zur Forschung bei Boehringer Ingelheim geleistet?

KI
Ja, generative KI hat die Forschung von Boehringer Ingelheim merklich verbessert. Nach der Einführung hat eine ausgewählte Gruppe von Mitarbeitenden iQNow ergänzend zu ihrer Forschung eingesetzt. Mit der Veröffentlichung von ChatGPT wurde die generative KI zu einem praktischen Alltagstool, das das Unternehmen in die Lage versetzte, iQNow mit den interaktiven Merkmalen eines großen Sprachmodells zu kombinieren. Nutzer berichteten, dass in den ersten 70 Tagen nach der Freischaltung des Systems an die 150.000 Arbeitsstunden eingespart wurden. In den ersten neun Monaten konnten so rund 600.000 Arbeitsstunden eingespart werden, was etwa 60 Millionen Euro an Forschungsausgaben entspricht.
Sie

Abgesehen von der Zeitersparnis, wie hat diese praktische Anwendung von KI die Forschung des Unternehmens noch unterstützt?

KI
Die Forschenden von Boehringer Ingelheim werden nicht nur auf bestimmte Dokumente oder Fachexperten aufmerksam gemacht, KI gibt ihnen auch die Möglichkeit, einen moderierten Dialog zu führen und dabei das gesamte Wissen aus der umfangreichen Datenbank von Forschungsdokumenten einzubeziehen. Das trägt unmittelbar dazu bei, die Entdeckung und Entwicklung von Arzneimitteln bei Boehringer Ingelheim zu beschleunigen.
Sie

Wo wird KI sonst noch im Unternehmen eingesetzt?

KI
Das Unternehmen nutzt KI auf verschiedene Weise. Was mit iQNow, generativer KI für alle, begann, wird mittlerweile mit Standardanwendungen von Microsoft wie Copilot realisiert. Andere Beispiele demonstrieren die Effektivität generativer KI für bestimmte Geschäftsanwendungen: Mithilfe von KI fasst Boehringer Ingelheim jetzt die Erkenntnisse zusammen, die von medizinisch-wissenschaftlichen Verbindungsteams gesammelt werden. Das erste Produkt des Unternehmens auf diesem Gebiet, KNERD, ist ebenfalls schon aktiv und wird bereits von Forschenden verwendet. Und ADAM, der unternehmenseigene fortschrittliche Design-Assistent für Moleküle, ist überaus hilfreich bei der Suche nach Medikamentenkandidaten.

Diese Fälle zeigen, wie wertvoll und heterogen der Einsatz von KI bei Boehringer Ingelheim ist. Die IT-Abteilung von Boehringer hat mittlerweile ein robustes Lösungspaket geschnürt, das sowohl Standard-KI-Lösungen für alle als auch Fähigkeiten und Plattformen für die Entwicklung und Bereitstellung maßgeschneiderter Lösungen für sehr spezifische Anwendungsfälle in den Geschäftseinheiten und Unternehmensfunktionen bietet.
Sie

Wie wird KI die pharmazeutische Industrie in Zukunft vermutlich beeinflussen?

KI
KI wird die pharmazeutische Industrie wahrscheinlich auf verschiedene Weise transformieren.

Sie wird die Arzneimittelentdeckung ankurbeln und den Prozess zur Identifizierung von Wirkstoffen und möglichen Behandlungszielen beschleunigen. Dadurch wird es neue Medikamente geben, die ohne dieses bemerkenswerte Tool niemals entwickelt worden wären, zum Beispiel dank der Vorhersage von Molekülstrukturen oder De-novo-Proteindesign.

Sie wird schon bald die Arbeit von Menschen in risikoarmen klinischen Studien unterstützen können, so dass behördliche Zulassungen schneller erteilt und dringend benötigte neue Therapien früher zur Verfügung stehen werden.

Darüber hinaus wird KI die Entwicklung personalisierter Medikamente vorantreiben, die individuell auf einzelne Patienten zugeschnitten sind – was die Behandlungsergebnisse entscheidend verbessern wird.

Wählen Sie einen Prompt, um mehr zu erfahren.

Warum ist KI aktuell in aller Munde?

Werden die geschäft­lichen Anwendungs­möglich­keiten von KI möglicher­weise nur hoch­gespielt?

Auf welche Weise inte­griert Boehringer KI in seine Geschäfts­aktivi­täten?

Wie ist Boehringer zum Vor­reiter bei der An­wendung gene­rativer KI geworden?

Ist es riskant, proprietäre Daten mit KI-Anwen­dungen in der Cloud zu verbinden?

Wie verändert iQNow die For­schung bei Boehringer?

Hat gene­rative KI einen mess­baren Beitrag zur Forschung bei Boehringer Ingelheim gelei­stet?

Abge­sehen von der Zeit­er­spar­nis, wie hat diese prak­tische An­wendung von KI die Forschung des Unter­nehmens noch unter­stützt?

Wo wird KI sonst noch im Unter­nehmen eingesetzt?

Wie wird KI die pharma­zeutische Indus­trie in Zukunft vermut­lich beein­flussen?

Zur Erforschung des Poten­zials von Quanten­computern für die pharma­zeutische Forschung und Ent­wicklung ist Boehringer Ingelheim 2021 eine Koope­ration mit Google Quantum AI eingegangen. Wie ist der aktuelle Stand auf diesem Gebiet?

Clemens Utschig-Utschig
Clemens Utschig-Utschig,
CTO & Chief Architect IT, Boehringer Ingelheim
Drei Fragen an

Clemens Utschig-Utschig
CTO & Chief Architect IT, Boehringer Ingelheim

1. Wo stehen wir zurzeit im Hinblick auf die Nutzung von Quantencomputing in der pharmazeutischen Forschung?

Quantencomputing könnte kurz davorstehen, eine stark beschleunigte Rechenleistung zu ermöglichen. Und die Chemie ist möglicherweise der erste größere Anwendungs­fall. Bei einer rechnergestützten Arznei­mittel­forschung müssen exakte Vorher­sagen getroffen werden, wie Arznei­mittel­kandidaten in lebenden Zellen mit ihren Targets inter­agieren. Dazu müssen Tausende von Atomen bei bestimmten Temperaturen simuliert werden, was Einblicke in Systeme liefern kann, die mit her­kömmlichen Experi­menten eventuell nicht zugänglich sind.

Von Quantencomputern verspricht man sich, dass sie hocheffiziente chemische Berechnungen vornehmen, die die Quanteneigenschaften des Systems simulieren können. Diese Aufgaben, bei denen es um komplexe Moleküle geht, gehen über die Fähigkeiten konven­tioneller Rechner hinaus. Die Ent­wicklung von Quanten­computern befindet sich noch in den Kinder­schuhen. Sie können bisher nur für sehr kleine Systeme eingesetzt werden. Um pharma­relevante Mole­küle zu simu­lieren, benö­tigen wir größere und zuver­lässigere Quanten­computer sowie auf unsere Bedürf­nisse zuge­schnittene Quanten­algo­rithmen. Ein zen­trales Ziel ist, die Computer­model­lierung gleich­wertig oder komfor­tabler als die der­zeitigen Labor­experi­mente zu machen. Bei der Quanten­hardware sind bereits rasante Fort­schritte zu ver­zeichnen und es werden täg­lich neue Quanten­algo­rithmen entwickelt. Prakt­ische An­wendungen rücken also immer näher.

“Es werden weitere Entwick­lungen nötig sein, um das wirt­schaft­liche Poten­zial des Quanten­computing aus­zu­schöpfen. Wir werden dies weiter voran­treiben und wohl bis Ende dieses Jahr­zehnts Bei­spiele für indus­trie­rele­vante An­wen­dungen vor­legen können.”

Clemens Utschig-Utschig, CTO & Chief Architect IT, Boehringer Ingelheim

2. Was hat Boehringer Ingelheim bislang gelernt? Und wann werden Quantencomputer Standardtools, die zum Wohle von Patienten genutzt werden können?

Um das Potenzial des Quantencomputing zu erforschen, ist Boehringer Ingelheim Anfang 2021 eine Kooperation mit Google Quantum AI eingegangen.

Im Rahmen dieser Kooperation haben wir mehrere Mög­lichkeiten für praktische An­wendungen eruiert. Einer unserer An­wendungs­fälle bestand etwa darin, Quanten­algo­rithmen zu identifizieren, um das Enzym P450 zu untersuchen. P450 spielt eine wichtige Rolle im mensch­lichen Stoff­wechsel und ist auf diese Weise bislang noch nicht analy­siert worden. Das Ergebnis der Analyse hat gezeigt, dass Quanten­computer eine sehr hohe Präzision und einen klaren Vorteil gegenüber den besten klassischen Methoden bieten können.

Doch selbst mit den besten verfügbaren Algorithmen würden diese Berechnungen drei Tage dauern, was in einer industriellen Umgebung viel zu lange ist, um prak­tikabel zu sein. Wir arbeiten derzeit an der Entwicklung neuer Algo­rithmen, die die Laufzeiten der Rechner von Stunden oder Tagen auf wenige Minuten redu­zieren könnten.

Ein weiteres Beispiel unserer aktuellen Forschung gemeinsam mit der University of Toronto ist die Entwicklung von Quanten­algo­rithmen zur Untersuchung der Mole­kular­dynamik. Dieses Gebiet beschäftigt sich mit Vor­hersagen, wie sich Mole­küle im Laufe der Zeit bewegen werden.

Unser wichtigstes Ziel ist es, zu prognosti­zieren, wie gut sich die Moleküle von Arznei­mittel­kandi­daten an ihr Target binden werden. Deshalb haben wir einen ganz neuen Quanten­algo­rithmus für Mole­kular­dynamik entwickelt und die Ergebnisse auf ver­schiedenen inter­nationalen Kon­ferenzen vorgestellt.

Obwohl wir im Hinblick auf die Software, Hard­ware und Anwen­dungs­fälle kontinuierlich Fort­schritte machen, befinden wir uns immer noch in der Phase der angewandten Grund­lagen­forschung.

Es werden weitere Ent­wicklungen nötig sein, um das wirt­schaft­liche Potenzial des Quanten­computing auszuschöpfen. Wir werden dies weiter vorantreiben und wohl bis Ende dieses Jahr­zehnts Beispiele für industrie­relevante An­wendungen vorlegen können.

2021
Beginn der Kooperation mit Google Quantum AI

3. Was sind die nächsten notwendigen Schritte?

Es ist noch zu früh, um vor­herzusagen, wann die Pharma­industrie das volle Potenzial von Quanten­computern ausschöpfen können wird.

Es bedarf dazu noch weiterer Ver­besserungen in der Hardware und in der Entwicklung neuer Algo­rithmen. Auch müssen wir neue Ver­fahren entwickeln, die es uns ermöglichen, bei den Berech­nungen einen Kompromiss zwischen Genau­igkeit und Zeit­auf­wand zu finden.

Schwerpunkt bleibt vorerst die Redu­zierung der Laufzeit von Quantenalgorithmen – bis diese Berechnungen attraktiver als die Experi­mente oder die wenig präzisen Berech­nungen von her­kömmlichen Computern sind. Gleich­zeitig werden wir neue An­wendungs­fälle erforschen.

Mit anderen Worten: Es gibt viele Heraus­forderungen, zu deren Bewältigung wir, gemeinsam mit unseren Partnern, mit unserem Know-how beitragen können. Ich bin davon überzeugt, dass die nächsten Jahre die notwendigen Fort­schritte bringen werden.

Dieser Einblick unseres Quantenlabors und unserer Partner wurde in Nature Physics veröffentlicht.