Menschen mit Schizophrenie kämpfen bis heute gegen die gesellschaftliche Stigmatisierung. Sie sind von einer komplexen psychischen Erkrankung betroffen, die mit einem breiten Spektrum an Symptomen einhergeht, gegen viele gibt es noch keine Medikamente. Weltweit erkrankt rund einer von 300 Menschen an Schizophrenie. Boehringer Ingelheim setzt alles daran, damit Betroffene das Verständnis, die Hilfe und die medizinische Versorgung erhalten, die ihnen zusteht.
Schizophrenie wird meist im späten Jugend- oder frühen Erwachsenenalter diagnostiziert, oft sind dann bereits schwerwiegende Symptome aufgetreten. Doch das schwerwiegende Stigma und weitverbreitete Vorurteile, die mit der Krankheit verbunden sind, halten viele Betroffene davon ab, überhaupt nach einer Diagnose zu suchen.
Bei Péter trat die Schizophrenie erst im Alter von 43 Jahren auf und platzte damit mitten in eine erfolgreiche berufliche Karriere. Angesichts der Diagnose brach er regelrecht in Panik aus, da sein gesamtes Leben aus den Fugen zu geraten schien – eine Reaktion, die bei Betroffenen sehr häufig zu beobachten ist.
Péter und Matt erzählen ihre persönlichen Geschichten und wie es ist, mit Schizophrenie zu leben.
„Mir wurde abrupt klar“, erinnert er sich, „dass hier etwas passierte, das ich partout nicht wollte und das alles verändern würde. Ich würde meine Freunde verlieren. Meine Familie. Meinen Job. Ich würde in meiner Umgebung nicht mehr als normal gelten. Schließlich will niemand mit psychischen Störungen zu tun haben. Darüber redet man einfach nicht.“
Péter musste schnell feststellen, dass Schizophrenie nicht nur private Beziehungen beeinflusst, sondern auch zu Diskriminierung bei Bildung, Wohnung und Karriere führen kann. Sogar der Zugang zu Gesundheitsleistungen kann durch die Diagnose beeinträchtigt werden. Menschen mit Schizophrenie tragen ein zwei- bis dreimal höheres Risiko, frühzeitig zu sterben. Ursache sind häufig unbehandelte Erkrankungen zum Beispiel des Herz-Kreislauf- oder Stoffwechselsystems sowie Infektionskrankheiten.
„Wenn Sie bei einem Arztbesuch erwähnen, dass Sie Schizophrenie haben und dann über Schmerzen klagen, wird Ihnen sofort unterstellt, dass Sie sich die Schmerzen vielleicht nur einbilden. Wir erhalten keine faire Chance, wenn jede Äußerung in Frage gestellt wird“, kritisiert Péter.
“Wir erhalten keine faire Chance, wenn jede Äußerung in Frage gestellt wird”
Péter
Beim Wort Schizophrenie denken viele an Halluzinationen und daran, dass man Dinge hört oder sieht, die nicht real sind. Diese Symptome werden als Positivsymptome bezeichnet. Sie sind nicht positiv im Sinne von „gut“ oder „schön“, sondern beschreiben Veränderungen im Denken und Fühlen, die die Wahrnehmung der Realität signifikant beeinträchtigen.
Positivsymptome sind nur eine Kategorie von Symptomen, die bei Betroffenen auftreten können.1 Zwei weitere Kategorien, die kognitiven und die Negativsymptome,2 können bereits vor der Positivsymptomatik in Erscheinung treten. Kognitive Symptome beziehungsweise Beeinträchtigungen umfassen Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen, Schwierigkeiten bei der Problemlösung und beim logischen Denken sowie bei der Bewältigung sozialer Situationen. Negativsymptome bilden die Kernsymptomatik der Schizophrenie und umfassen eine verminderte Fähigkeit für soziale Interaktionen: Die Betroffenen verlieren das Interesse, am täglichen Leben teilzunehmen. Menschen mit Negativsymptomen sind antriebsarm, empfinden keine positiven Emotionen und erleben einen Verlust an Selbstständigkeit. Dies führt häufig zu sozialem Rückzug und Isolation.
Obwohl kognitive und negative Symptome die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen können, gibt es bisher vergleichsweise wenige Optionen für ihre Behandlung.2
Boehringer Ingelheim hat es sich langfristig zur Aufgabe gemacht, Produkte zur Linderung schwerer psychischer Erkrankungen zu entwickeln. Das Unternehmen erforscht multimodale Lösungen, um die Lebensqualität von Menschen mit Schizophrenie zu verbessern. Dabei blickt es über die akuten Schübe mit Positivsymptomen hinaus, die am leichtesten zu identifizieren sind und für die es bereits bewährte Behandlungsansätze gibt.
Matt, ein Patient aus den USA, erhielt die Diagnose Schizophrenie mit Anfang 20. Er litt unter Negativsymptomen wie Depressionen und einem Gefühl der Isolation.
„Eines Tages hatte ich einen Termin bei einer Psychiaterin. Irgendwann sagte sie: ‚Was Sie mir da erzählen, hört sich ganz nach Schizophrenie an.‘ Meine erste Reaktion war: Das kann nicht sein! Ich glaube einfach nicht, dass das wahr ist! Auch meine Eltern wollten die Diagnose nicht wahrhaben. Wir dachten, ich würde einfach eine schwierige Zeit durchmachen und mich einsam fühlen“, erinnert sich Matt. „Die erste Reaktion war auf jeden Fall Schock und Unglaube.“
Matts Verhalten war keinesfalls ungewöhnlich. Aufgrund der tiefgreifenden Vorurteile gegenüber Schizophrenie weigerte er sich sogar, weitere Hilfe in Anspruch zu nehmen. Zwei Jahre später traten dann die ersten Positivsymptome auf. Aufgrund seiner zunehmenden Isolation hatte Matt angefangen, Drogen zu nehmen, die einen schweren psychotischen Schub auslösten und eine Klinikeinweisung notwendig machten.
“Die erste Reaktion war auf jeden Fall Schock und Unglaube.”
Matt
„Ich ging kaum noch unter Leute und rauchte lieber in den eigenen vier Wänden Marihuana. Die Drogen riefen psychotische Symptome hervor, unter anderem ein Gefühl von Größenwahn“, so Matt. Er war davon überzeugt, übermenschliche Kräfte zu besitzen, und litt zugleich unter Verfolgungswahn.
Seit der Einweisung in die Klinik befindet sich Matt glücklicherweise auf dem Weg der Besserung. Er kämpft allerdings nach wie vor mit Negativsymptomen wie Antriebslosigkeit, Defiziten bei der Bewältigung zielorientierter Aufgaben und mangelnder Eigenmotivation. Indem er sich strikt an seinen Zeitplan hält, Handy-Erinnerungen setzt und bei Bedarf seinen besten Freund anruft, schafft er es jedoch, seine Ziele nicht aus dem Blick zu verlieren.
„Als ich die Diagnose hörte, fühlte sich das wie ein Todesurteil an“, erklärt Matt. „Erst nach und nach war ich in der Lage, mich über die Krankheit zu informieren. So habe ich erfahren, dass sich Symptome auch bessern können. Ich glaube fest daran, dass Betroffene mit der richtigen Unterstützung und Behandlung, mit Selbsthilfegruppen und Wissensvermittlung ein größtenteils normales Leben führen können. Vielleicht finden sie sogar neue Interessen und Ziele, neue Dinge, die sie inspirieren.“
“Wenn wir Betroffenen weltweit einen guten Umgang mit der Krankheit vermitteln, können sie ein normales, erfülltes Leben führen.”
Péter
Péter trat einer Stiftung und internationalen Organisation bei, die Menschen mit Schizophrenie zur Seite steht. Dabei machte er die Erfahrung, dass die Behandlungsoptionen von Land zu Land sehr unterschiedlich sind. Heute ermutigt er andere Betroffene, sich die Unterstützung zu suchen, die sie benötigen.
Die Stiftung „vermittelt den Menschen, dass sie sich ihr Leben zurückholen können, dass sie Kinder haben können, dass es ein Leben nach der Diagnose Schizophrenie gibt“, erklärt Péter. „Wenn wir Betroffenen weltweit einen guten Umgang mit der Krankheit vermitteln, können sie ein normales, erfülltes Leben führen.“
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Interview mit Christoph von der Goltz, Head of Medicine for Mental Health, Boehringer Ingelheim
Weltweit leiden fast eine Milliarde Menschen unter einer psychischen Erkrankung. Tatsächlich entwickelt jeder Zweite irgendwann einmal in seinem Leben eine entsprechende Symptomatik.11 Trotz der immer noch extrem hohen Stigmatisierung ist das Thema durch COVID-19 stärker in den Fokus gerückt. Wir wissen heute, wie wichtig eine gute psychische Gesundheit ist und dass Probleme in diesem Bereich sich auf vielfältige Weise äußern können.
Sehr viel weniger im Fokus ist jedoch der große und bis dato unerfüllte Bedarf an Behandlungsoptionen für schwerwiegende psychische Erkrankungen wie Schizophrenie und Depressionen. Das anhaltende Stigma, das mit diesen Erkrankungen verbunden ist, kann sich ganz unterschiedlich äußeren – von falschen Vorstellungen zu Verhaltensweisen und Persönlichkeitsstrukturen bis hin zu fehlendes Wissen um die medizinische Versorgung der Betroffenen.
Leider findet in diesem Bereich nur sehr wenig wissenschaftliche Innovation statt. Wir müssen die Erforschung neuer Behandlungsansätze daher deutlich intensivieren, um Menschen mit schwerwiegenden psychischen Erkrankungen wirksam helfen zu können. Aus diesem Grund haben wir uns den Bereich der psychischen Gesundheit zur langfristigen Aufgabe gemacht. Wir wollen, dass sich jeder Mensch zu jeder Zeit einer uneingeschränkten psychischen Gesundheit erfreuen kann. Durch unsere eigene Forschungsarbeit und durch Kooperationen mit ähnlich gesinnten Partnern wollen wir die Mental-Health-Landschaft neugestalten, um Menschen mit psychischen Erkrankungen ein erfülltes Leben zu ermöglichen.
Unser Ziel ist es, jeder Patientin und jedem Patienten zur richtigen Zeit die am besten geeigneten Behandlungsoptionen zur Verfügung zu stellen. Das mag einfach klingen, aber derzeit basieren Behandlungsentscheidungen bei psychischen Erkrankungen auf der Diagnose des Gesamtbilds. Das heißt, dass stets die gesamte Erkrankung behandelt wird und nicht unbedingt die Symptome, die die Menschen in ihrem Alltag am stärksten beeinträchtigen.
Wir wissen, dass die derzeitigen Diagnosekriterien ein breites Bild von Syndromen darstellen und nur wenig mit der zugrundeliegenden Biologie zu tun haben. Sie geben nicht die Häufigkeit und den Schweregrad der Symptome wieder, die bei einzelnen Menschen im Laufe der Zeit auftreten können.
Wir verfolgen einen gezielteren Ansatz, bei dem wir die zugrunde liegende Biologie mit den belastenden Symptomen in Verbindung bringen, die von den derzeitigen Behandlungsmethoden nicht erfasst werden. Wir setzen uns auch für einen ganzheitlichen Ansatz bei psychischen Erkrankungen ein: eine Kombination aus Medikamenten, Verhaltenstherapien, gemeinschaftlicher Unterstützung und verschreibungspflichtigen digitalen Therapeutika, um Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen zu mehr Lebensqualität zu verhelfen.
“Wir setzen uns auch für einen ganzheitlichen Ansatz bei psychischen Erkrankungen ein: eine Kombination aus Medikamenten, Verhaltenstherapien, gemeinschaftlicher Unterstützung und verschreibungspflichtigen digitalen Therapeutika, um Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen zu mehr Lebensqualität zu verhelfen.”
Christoph von der Goltz, Head of Medicine for Mental Health at Boehringer Ingelheim
Menschen mit schwerwiegenden psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie oder Depressionen leiden oft unter anhaltenden, belastenden Symptomen, die ihre Lebensqualität und ihr Wohlbefinden als Ganzes ernsthaft beeinträchtigen können.
Für viele dieser Symptome gibt es keine oder nur sehr eingeschränkte Behandlungsmöglichkeiten, obwohl sie sich so negativ auf die Betroffenen auswirken.
An diesem Punkt wollen wir mit unseren Innovationen ansetzen. Zwei Beispiele aus dem Gebiet der Schizophrenie veranschaulichen diesen Ansatz: Iclepertin ist ein potenzielles neues Medikament, das auf die Milderung der bei Schizophrenie auftretenden kognitiven Beeinträchtigungen abzielt, wie Gedächtnisprobleme, Schwierigkeiten bei der Problemlösung oder Konzentrationsstörungen. Diese Symptome können schon vor einem akuten Schub mit Halluzinationen oder Wahnvorstellungen auftreten und das private wie berufliche Leben der Menschen enorm beeinträchtigen. Iclepertin befindet sich in der fortgeschrittenen Phase III der klinischen Entwicklung und dürfte Betroffenen innerhalb der nächsten zwei Jahre zur Verfügung stehen.
In einer späten Phase unserer Produkt-Pipeline befindet sich auch das neuartige digitale Therapeutikum (PDT von englisch Prescription Digital Therapeutic) CT-155, das wir gemeinsam mit unserem Partner Click Therapeutics entwickeln. Digitale Therapeutika, auch als digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) bezeichnet, sind Software-basierte Therapieformen, die auf Smartphones oder anderen digitalen Endgeräten installiert werden und eine komfortable, evidenzbasierte Behandlung ermöglichen. Sie stellen psychosoziale Therapieformen bereit, die Menschen mit Schizophrenie-bedingten Negativsymptomen helfen können. Typische Merkmale solcher Symptome sind sozialer Rückzug, Verlust an Lebensfreude und mangelnde Motivation für Aktivitäten. Wir sehen ein großes Potenzial für den Einsatz von DiGA. Sie bieten eine neue Möglichkeit, mit der sich die Behandlung in Bereichen unterstützen und verbessern lässt, die mit bestehenden Methoden und Therapeutika nur schwer erreichbar sind.
Über die Schizophrenie hinaus führen wir umfassende Forschungsarbeiten in vielen Bereichen der psychischen Gesundheit durch, zum Beispiel bei der schweren depressiven Störung, wo es noch erheblichen ungedeckten Bedarf gibt. Wir arbeiten eng mit Partnern zusammen, die unsere Ambitionen teilen, denn wir können die Versorgung im Bereich Mental Health nicht allein umgestalten. Unser Engagement ist langfristig; wir setzen uns weiterhin für die psychische Gesundheit ein, heute und für künftige Generationen.